Auch wenn Weihnachten schon vorbei ist, möchte ich auf zwei Figuren an der Krippe zurückkommen, die im Weihnachtsevangelium nicht einmal erwähnt werden, nämlich Ochs und Esel.
Obwohl von ihnen in den Evangelien nirgendwo die Rede ist, fehlen sie in kaum keiner Weihnachtskrippe. Meist stehen sie direkt neben dem Jesuskind, so wie es die ältesten Darstellungen der christlichen Kunst über die Geburt Jesu zeigen. Maria und Josef und die Hirten erscheinen erst später. Was aber haben Ochs und Esel an der Krippe zu suchen?
Die Autoren des Neuen Testaments und andere frühchristliche Theologen haben die Heilige Schrift systematisch nach Textstellen durchkämmt, die sie als Vorhersage auf den Messias, auf Christus verstanden. Dabei stießen sie im Buch des Propheten Jesaja auf folgendes Zitat: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht“ (Jes 1, 3). Damit beklagt der Prophet, das auserwählte Volk habe sich von Gott abgewendet und folge nicht mehr seinen Geboten.
Neben dem Alten Testament wurden auch etwas zweifelhafte Texte für die christliche Apologetik nutzbar gemacht, u. a. das sogenannte Pseudo-Matthäus-Evangelium, ein apokrypher Text, der, weil häretisch, in der Kirche keine Verwendung mehr findet. Dieser Pseudo-Matthäus zitiert eine fragwürdige lateinische Übersetzung einer wiederum griechischen Übersetzung des hebräischen Urtextes aus dem Buch des Propheten Habakuk: „Mitten zwischen zwei Tieren wird man dich erkennen.“ (Hab 3, 2) Diese Übersetzung ist wirklich ziemlich schräg, was ein Vergleich mit der aktuellen Übersetzung der deutschen Einheitsübersetzung zeigt: „Ich sehe, Herr, was du früher getan hast. Laß es in diesen Jahren wieder geschehen.“ Weil man sich sicher war, daß mit diesen zwei Tieren bei Habakuk die bei Jesaja erwähnten gemeint waren, fanden Ochs und Esel ihren Platz in der Weihnachtskrippe. Beide Tiere waren für die Kirchenväter ein Bild dafür, dass bei Gott die ganze Welt und alle Völker Platz haben. Alle sind beim Sohn Gottes an der Krippe willkommen, Juden wie Heiden. Darum dürfen auch wir zu ihm kommen.
Ochs und Esel gelten bei uns ja nicht gerade als Symbole für Aufgewecktheit und mentale Flexibilität. Nicht umsonst werden „sturer Ochse“ und der „dummer Esel“ als Schimpfworte gebraucht für begriffsstutzige und uneinsichtige Menschen.
Selbst in der Bibel kommen Ochs und Esel nicht gut weg. Sie gelten als unverträglich und streitsüchtig. So gibt das Buch Deuteronomium die Anweisung, Ochs und Esel nicht gemeinsam vor einen Pflug zu spannen (Dtn 22, 10), weil sie sich nicht miteinander vertragen. Im Buch Jesus Sirach wird dieses Bild aufgegriffen, und zwar im Blick auf ein sich ständig streitendes Ehepaar. Dort heißt es: „Wohl dem Gatten einer klugen Frau, der nicht gleichsam mit einem Gespann von Ochs und Esel pflügen muß“ (Sir 25, 8).
Ochs und Esel an der Krippe verkörpern den Traum von einer anderen Welt, in der die Gegensätze zwischen den Menschen aufgehoben sind. Sie sind Bild einer friedlichen Welt, wo verschiedene Meinungen und Charaktere ihren Platz haben und es nebeneinander aushalten. Das ist seit dieser Heiligen Nacht möglich, weil Gott selber es möglich macht und die Gegensätze aufhebt. Vielleicht sollten wir diese beiden Figuren nicht mit der übrigen Weihnachtskrippe wieder bis zum nächsten Weihnachtsfest wegräumen, sondern das ganze Jahr über auf der Fensterbank stehen lassen, damit wir uns immer wieder daran erinnern, wenn es in der Familie Zoff gibt und nicht rund läuft.
Zum Schluß noch ein Witz: Treffen sich ein Jesuit und ein Dominikaner.
Die Jesuiten tragen hinter ihrem Namen die Abkürzung SJ, von der manche sagen, dies bedeute „Schlaue Jungs“, was aber tatsächlich meint, daß sie der „Societas Jesu“ angehören, der Gesellschaft Jesu. Die Dominikaner tragen ein OP hinter ihrem Namen als Abkürzung für Ordo Praedicatorum, lateinisch für Predigerorden.
Beide erkennen einander als Kollegen von der gleichen Zunft, und da beider Orden im Ruf stehen, ausgezeichnete Prediger hervorzubringen, kommt es zu einem Wettstreit zwischen den beiden, wer der bessere sei. Jeder soll aus dem Stegreif eine Predigt über das Weihnachtsevangelium halten. Der Jesuit fängt an und brennt ein Feuerwerk der Theologie und Rhetorik über das Geheimnis der Menschwerdung Gottes ab. Der Dominikaner erkennt sofort, daß er dagegen keine Chance hat. Dennoch beginnt er: „Liebe Gemeinde, vergegenwärtigen wir uns die Heilige Nacht, in der der Erlöser geboren wurde. Die Gottesmutter ist erschöpft von den Strapazen der Geburt, froh, ein wenig schlafen zu können. Das Jesuskind liegt warm eingewickelt in der Krippe. Seht, da öffnet es seine Äuglein und schaut um sich. Als erstes sieht es neben sich den Ochsen mit den großen Hörnern und der feuchten Nase. Es blickt zur anderen Seite und sieht den Esel mit den langen Ohren und den treuherzigen Augen. Und bevor es wieder die Äuglein schließt und einschläft hört man das Jesuskind leise murmeln: So, so, das also ist die Gesellschaft Jesu.“