Nach der letzten Bitte „Erlöse uns von dem Bösen“ im Vaterunser folgt in der Liturgie der katholischen Kirche noch ein kurzes Gebet, ein Einschub des Priesters. Es ist eine Weiterführung der vorherigen Bitte, in der es heißt: „Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“
Das Gebet um Frieden und Errettung vor dem Bösen hat seinen Ursprung höchstwahrscheinlich aus der Zeit von Papst Leos des Großen (440 - 461), als Rom von den Vandalen bedroht und schließlich geplündert wurde. In dieser Situation lag es besonders nahe, Gott um ‚Bewahrung vor dem Bösen‘ und um Frieden zu bitten. Aber auch in fast allen ostkirchlichen Liturgien finden wir ähnliche Gebetsformen. In der Liturgiereform der 1960er Jahren wurde das Gebet in seiner ursprünglichen Länge zwar gekürzt, aber trotz der „inhaltlichen Doppelung“ als Einschub im Vaterunser während der Messfeier als besonderes Element vor dem Friedensgruß beibehalten.
Dieser Einschub greift noch einmal den Wunsch der Erlösung von den vielen Formen des Bösen auf. Der wahre Friede Gottes entsteht dort, wo wir Menschen dem Bösen widerstehen können. Dieser Friede Gottes soll sich schon in unseren Tagen heute ausbreiten. Christus, der Auferstandene hat seinen Jüngern diesen Frieden immer wieder zugesagt. Es ist eine Gabe, die auf die Zukunft verweist, in der der Friede niemals enden wird.
Diese Bitte ist hineingesprochen in unsere Tage, wo wir immer noch und immer wieder „Verwirrung“, Sünde und Unfrieden erleben. Sie ist hineingesprochen in die konkreten Erfahrungen des Bösen im Alltag eines jeden von uns – sowohl im Kleinen des eigenen begrenzten Umfelds als auch im Großen des Weltgeschehens.
Über allem steht jedoch die Hoffnung auf das letzte und große Kommen Jesu Christi mit seinem Frieden. Gott wird vollenden, wo wir Menschen an unsere Grenzen stoßen und es aus eigener Kraft nicht schaffen. Deshalb schließt der Einschub des Vaterunsers auch nicht mit dem Blick auf das Böse, sondern mit der Zuversicht auf das Kommen Christi. Und dies leitet dann über in die Schlussformel des Vaterunsers, den Lobpreis Gottes, den wir mit den Worten „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit“ ausdrücken.